Das bekannte Nagetier teilt sich mit uns den beliebten Platz am Wasser. Die Lebensraumansprüche unser beiden Spezies sind nicht sie gleichen, deshalb gehört der Konflikt mit dem Nachbarn zumindest für den Biber zur alltägliche Routine.
Ein Beispiel: Der Biber kann die Unterschreitung eines bestimmten Wasserstandes in seiner Burg nicht tolerieren, genauso wie der Mensch den Anstieg des Wassers über eine bestimmte Schwelle auch nicht tolerieren möchte. Die Türschwellen von Biberburg und menschlicher Behausung müssen also unterschiedliche Geländehöhen aufweisen. Der Biber ist Vegetarier und braucht zum Leben Futter und Baumaterial. Bei der Wahl der Baumarten ist er sehr wählerisch. Erlen lässt er stehen, eine besondere Vorliebe hat er ausgerechnet für Obstbäume.
Mensch und Biber müssen sich in der Geschichte schon immer begegnet sein, drum weiß der Biber auch genau wie er mit dem Menschen umgehen muss. Nagetiere gehören zu den intelligentesten Tieren. Wer mit dem Biber eine gemeinsame Grenze teilt, wie viele Kleingärtner*innen, weiß, dass der Biber zum einen keine Grenzen kennt und zum anderen, keinen Aufwand scheut, um sich Zutritt zu verschaffen, wenn dort schmackhafte Obstbäume locken.
Der Siegeszug des Bibers ist auf seine erfolgreiche Taktik zurückzuführen, die er an den Tag legt, um sich brachliegendes Wasserland anzueignen und auszubauen. Sein Erfolgsrezept liegt in seiner defensiven Strategie. Bisher ist kein Fall bekannt, dass ein Biber einen Menschen angegriffen hat. Obwohl seine Fällarbeiten viel Lärm erzeugen, schafft es der Biber selbst in bewohnten Gebieten unbemerkt große Bäume zu fällen und zu dem Ort ihrer Bestimmung zu schleifen. Er mag es überhaupt nicht bei seiner Arbeit beobachtet zu werden (von einigen Ausnahmen am Finowkanal abgesehen). Unzugängliche Gärten werden zu stillen Uhrzeiten traktiert und geplündert bis der Garteninhaber*innen entweder demoralisiert aufgeben, freiwillig auf Gehölze verzichten oder den Garten zur Festung erklären.
Die moralische Überlegenheit des Bibers besteht darin, dass er dem Menschen nicht vorsätzlich Schaden möchte, sondern all seine Mühen darauf zielen, seine Grundbedürfnisse zu befriedigen. Wie kaum ein anderes Tier kann er einen ungeeigneten Lebensraum zu einem für ihn geeigneten umgestalten. Seine gewaltfreie Aneignungsmethode steht dabei nicht in Einklang mit dem Verfügungsrecht des Privatbesitzes. Da der Biber kein Staatsbürger ist, kann man ihm dieses übergriffige Verhalten zumindest juristisch nicht zur Last legen.
Der chinesische General, Militärstratege und Philosoph Sun Tsu hat 500 v. Chr in seiner Schrift „Die Kunst des Krieges“ die Gewaltlosigkeit als oftmals überlegenes Mittel zur Erreichung der eigenen Ziele beschrieben. Seine Lehrsätze finden bis heute Anwendung. Hat der Biber heimlich in seinem Bau die asiatischen Deeskalationsstrategie studiert?
Schauen wir mal:
„Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen“.
Als scheuer Vegetarier, unterhält der Biber ständige Bauwerke – trotz der regelmäßiger Zerstörung durch den Menschen. Langfristig muss man sich an den Biber gewöhnen.
„Gib Unterlegenheit vor und schau zu wie andere arrogant werden.“
Aufgebrachte Menschen (Paul), die den Abschuss des Bibers fordern, begeben sich moralisch auf Gleiteis und rufen entsprechendes Veto hervor.
„Der, der weiß, wann er kämpfen sollte und wann nicht, wird siegreich sein.“
Der Biber ist scheu, weil er weiß, dass er körperlich unterlegen ist. Wenn er den Menschen wittert, taucht er ab. Nachdem er Unordnung gestiftet hat, lässt er sich erstmal ein paar Tage nicht blicken.
„Jede Kriegsführung beruht auf Täuschung. Wenn wir also fähig sind, anzugreifen, müssen wir unfähig erscheinen […]; wenn wir nahe sind, müssen wir den Feind glauben machen, dass wir weit entfernt sind, wenn wir weit entfernt sind, müssen wir ihn glauben machen, dass wir nahe sind.”
Die psychologische Reizbarkeit des Menschen, weiß der Biber zu nutzen. Wenn er merkt, dass es an einer Stelle Widerstand gibt, probiert er es die nächste Nacht an einer anderen Stelle. Mit der Zeit gibt es so viele Schwachstellen, dass er sich viele Optionen offen hält.
Dieser kuriose Kampf ist noch aus einem Grund ungleich: Der Biber baut und schafft aus Überlebenswillen, während der Mensch meistens nur in seiner Freizeitbeschäftigung beeinträchtigt wird. Seine unglaubliche Arbeitsleistung, verschafft ihm auch unter seinen Kritikern Anerkennung und insbesondere in der ehem. Arbeiterstadt Eberswalde vielleicht auch einen moralischen Vorteil.
Sein Schaffen verdient aber noch aus einem anderen Grund Anerkennung: Durch seine Lebensraumgestaltung kümmert er sich um die Gesundheit unserer Gewässerökosysteme. Als „Tier der Tat“ kommt er dem Vollzug der EU-Wasserrahmenrichtlinie zuvor. Das ist ein ernstes Problem für die Maßnahmenplanung und Abrechnung von Geldern, die für die Gewässerrenaturierung ausgegeben werden müssen. Wenn der Biber Sun Tsu nun wirklich gut studiert hat, weiß er, dass der Mensch keinen Gesichtsverlust erträgt! Drum muss er noch ein paar Aufgaben für uns Menschen übrig lassen…
Vom Biber lernen, heißt Siegen lernen.